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Erkundungen in einem fernen Land

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Beitrag  testelse Do 17 März 2011, 7:08 pm

Erkundungen in einem fernen Land

Palliativ Care und Palliativmedizin zeichnen sich in Japan durch einen hohen medizinischen Standard aus. Hingegen scheint es in der psychosozialen und spirituellen Begleitung von kranken Menschen nicht zuletzt aufgrund fehlender Traditionen noch Nachholbedarf zu geben.

Besuch im ältesten japanischen Hospiz, gegründet vor mehr als 20 Jahren. Schöne Pavillon-Bauweise von Grün und Sträuchern umgeben, inmitten einer großen Krankenhausanlage mit angeschlossener Universität für Berufe des Gesundheitswesens in Hamamatsu. Das Krankenhaus war am Anfang des 20. Jahrhunderts für die damals gefürchteten Tuberkulose-Kranke gegründet worden – ganz ähnlich wie bei uns, im Europa des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das Hospiz ist aus dem gleichen Impuls heraus entstanden zu einer Zeit, als die Not der sterbenden Menschen in den hoch technisierten Krankenhäusern offenbar wurde. Auch hier sind die Ähnlichkeiten mit der europäischen Entwicklung deutlich.
In einem schönen und großzügig ausgestatteten Wohn-/Gemeinschaftsraum werden wir von zwei Mitarbeiterinnen des Hospizes mit einer kleinen Teezeremonie begrüßt. Am Nachbartisch sitzen Angehörige mit einer Patientin, ziehen sich aber bald zurück. Durchs Hospiz führt uns ein langjähriger Ehrenamtlicher. Das Hospiz hat 27 Plätze, meistens Einzelzimmer, schön und funktionell eingerichtet mit aller notwenigen Technik, elektrisches Pflegebett, Rufanlage, Sauerstoffanschluss und so weiter. In jedem Zimmer ein mit Tatamis ausgelegten Podest, auf dem Angehörige ihren Futon auslegen und übernachten können. Außerdem gibt es drei sparsam eingerichtete Gästezimmer für Angehörige. Wie überall in Japan existiert auch hier eine ausgeprägte Badekultur: Drei Badezimmer, eins für ganz hilfsbedürftige Schwerkranke mit Hubwanne und allen technischen Möglichkeiten ausgerüstet, ein weiteres für Kranke, die sich teilweise selber versorgen und ein drittes, in dem Kranke zusammen mit ihren Angehörigen baden können.
Da das Hospiz eine christliche Einrichtung ist - in Japan eine Ausnahme, da Christen heir eine Minderheit bilden - gibt es auch eine schön gestaltete Kapelle. Die immer befinden sich zu beiden Seiten von langen Gängen, in der Mtte ist ein Pflegestützpunkt. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt 40 Tage - eigentlich zu wenig, wie der ärztliche Leider meint. Bis zu circa 600 Euro im Monat beträgt die Eigenleistung für die Patienten, nach Alter gestaffelt, über 70-jährige zahlen weniger, den Rest bezahlt die Krankenkasse. Der palliativmedzinische Standard ist sehr hoch und auf modernem Niveau. Im Tagesdienst stehen fpr die 27 Patienten acht Pflegekräfte und drei Ärzte zur Verfügung, nachts sind drei Pflegekräfte im Einsatz. Geleitet wird das Hospiz von Ärzten. Die medizinisch-pflegerische Begleitung bis zuletzt ist sicher aufmerksam und intensiv. Der Tod eines Patienten ist im kleinen Kreis der unmittelbar im Einsatz befindlichen Pflegekräfte und der allernächsten Angehörigen ein wichtiges Ereignis. Verstorbene können auf besonderen Wunsch der Angehörigen bis z 36 Stunden im Haus bleiben - ungewöhnlich für japanische Verhältnisse. Die anderen Patienten erfahren von diesem Ereignis nichts, der Tote wird unauffällig über einen besonderen Gang abtransportiert.

Hoher palliativmedizinischer Stand
Ortswechsel nach Akita, einer schönen Stadt im gebirgigen Norden der Hauptinsel. Dort ist, integriert in ein großes Krankenhausm, dem Sotoasa-hikawa-Hospital, das gleichnamige Hospiz. 35 Plätze; verteilt auf zwei Stationen, eine mit 13 BEtten und eine mit 22 Betten. Zusammen mit Dr. Kato, dem ärztlichen Leiter, besuchen wir die 13-Betten-Einheit. Die durchschnittliche Verweildauer beträgt circa zwei Monate, das Durchschnitssalter der Patienten circa 70 Jahre, ausschließlich Krebspatienten. Gearbeitet wird im Zwei-Schichten-Betrieb, von 8-17 Uhr und 17-9 Uhr. Tagsüber sind sechs Krankenschwestern und ein Arzt im Einsatz, nachts drei Krankenschwestern und ein Arzt in Bereitschaft. Auch hier eine sehr aufwendige "Badezimmerkultur". Die eigentlich nüchterne Krankenhausarchtitektur ist, wo immer möglich, liebevoll geschmückt und gestaltet mit Bildern und Pflanzen, selbst die vor jedem Zimmer stehenden Desinfektionsflaschen haben nette Häkelüberzüge.
Es gibt einen sehr großzügigen und sehr schön gestalteten Wohn- und GEmeinschaftsbereich mit Klavier, Sitzgruppen, viel Kunst und Bildern, der bei unserem Besuch aber menschenleer ist. Aber 135 (!) Ehrenamtliche sind im Einsatz, gerade bei der Tagesgestaltung der Patienten, der Beschäftigung mit vielen Unterhaltungsprogrammen. Allerdings ist der Einsatz dieser Ehrenamtlichen . es gibt im Japanischen kein Wort dafür, man benutzt dne englischen Begriff "volunteers" - nicht unbedingt mit dem in Deutschland vergleichbar.
Verbindliche Dienste mit festen Einsatzplänen und regelmäßigen Betreuungen einzelner Patienten sind eher unüblich. Am Wochenende oder an Feiertagen kommen beispielsweise 30 Studentinnen und Studenten für die Tagesgestaltung. Und viele dieser freiweilligen Helfer kommen nur zu bestimmten Anlässen, wie Konzerten, Gottesdiensten, Weihnachtsfeiern oder Ähnliches.
Im Pflegestützpunkt der Station ist gerade eine Besprechung der noch sehr jung wirkenden Krankenschwestern, anschließend herrscht dort emsige Betriebsamkeit. Das Krankenhaus ist ein privates, dsa Hospiz damit auch. Die Zimmer sind sher unterschiedlich ausgestattet und die Preise gestaffelt. Durchschnittlich etwa 200 Euro pro Tag kostet ein solcher Platz, er ist privat zu zahlen, ein luxuriöseres Zimmer kann deutlich mehr kosten. Auch hier ist der palliativmedzinische Standard sicher sehr hoch. Aber der Tod findet als privates Ereignis abgeschirmt im Patientenzimmer statt, ist kaum Thema im Alltag des Hauses, die anderen Patienten sollen davon möglichst nichts mitbekommen - zum Leidwesen des sehr nachdenklichen und am intensiven Austausch interessierten ärztlichen Leiters Dr. Kato.

Ausgeprägte stationäre Entwicklung
Die mit großem Engagement betriebenen Hospizen in Japan wirken auf den europäischen Besucher eher wie Palliativstationen. Immer als Teil eines Kranknehauses, mit ärztlicher Leitung, einem sehr hohen medizinisch-technischen Aufwand betrieben, scheinen diese Einrichtungen eine ebenso stark medizinische Ausrichtung zu haben.
Im Zuge einer weltweit aufblühenden Palliativmedizin entwickelte sich die Hospizbewegung in Japan, aus einem etablierten Gesundheitsbetrieb initiiert, als neue medizinische Aparate des hochmodernen Gesundheitswesens. Wir finden deshalb eine ausgeprägte stationäre Entwicklung, während die ambulante Hospizbewegung eher schwach ausgeprägt ist. Das hat vielleicht auch mit dieser "klinischen" Entstehungsgeschichte zu tun, vor allem aber mit den Lebensbedingungen der modernen Japner. Das Leben in extremen Ballungsräumen, in kleinen und oft hellhörigen Wohnungen und in Familien, in denen alle fast "rund um die Uhr" beschäftigt sind, ist, dass die dauerhafte ambulante Versorgung von schwer kranken und sterbenden Menschen zu Hause nur noch schwer vorstellbar ist. Japaner scheinen es nicht zu mögen, wenn man in ihr kleines Zuhause reinschaut.

Großes Bedürfnis nach Austausch spürbar
Und es scheint eine Tradition für eine psychosoziale und spirituelle Begleitung von kranken Menshen in Japan zu fehlen. Auch im normalen Lebensalltag teilt man sich offensichtlich nur, sehr selten auf dieser Ebene mit, redet nicht über das, was einen bedrückt und beunruhigt, teilt es andern allenfalls ansatzweise über minimale Gesten mit. Als Referenten für Vorträge zu Grundfragen der spirituellen Begleitung von Sterbenden machen ich dann die Erfahrung, dass das zunehmend als ein Mangel erfahren wird und ein großes Bedürfniss bei vielen Zuhörern nach Austausch gerade zu diesen Fragen spürbar wird. Für die Japaner sei es wichtig, so Professor Shimazono von der Universität Tokio, sich mit den Erkenntnissen der westeuropäischen Thanatologie und denen der europäischen Hospizbewegungen zu befassen. Sterbenden bleiben in Japan, bei guter (palliativ-) medizinischer Versorgung auf sehr hohem Niveau, oft mit ihren seelischen und spirituellen Nöten alleine und unversorgt. Diese Not hat auch Waldemar Kippes wahrgenommen und den Verein für Clinical Pastoral Care (Klinikseelsorge) gegründet. Menschen sollen sensibilisiert werden und ausgebildet, gerade für diese Art der Begleitung von Kranken - damit so eine Kultur der Seelsorge und spirituellen Begleitung wächst. Im folgenden Interview berichtet Waldemar Kippes über seine Erfahrungen und sein Anliegen in Japan.


(Quelle: Praxis PalliativCare 06/2010)
[Bilder sind leider nicht im Moment vorhande. Füge ich später hinzu, wenn ich sie einscannen konnte]
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